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Ungesagtes / L&M Rot.
Deine Freunde pflegen dein Grab. Deine Familie, wir, auch. Vor Familienfesten trifft sich unsere Generation, damit meine ich deine Schwester, dein Bruder, mich, wir, die Jungen in „deinem Alter“, an deinem Grab. Wir stehen zusammen und rauchen, zünden immer auch eine Zigarette für dich an. Keiner von uns raucht noch deine Marke, aber wir haben trotzdem immer ein Päckchen dabei. Wir rauchen deine Zigaretten, sprechen über das Leben, und über dich. Aber wir schweigen auch gemeinsam.
An deinem Todestag richte ich mit deiner Schwester dein Grab. Wir sprechen uns mit deinen Freunden ab, damit wir uns nicht begegnen.
Immer wenn ich an der Unfallstelle vorbei fahre, brennt dort ein Licht. Auch vier Jahre später noch. Ich weiß, dass es deine Freunde sind, ich weiß dass sie sowohl das Grab pflegen, in stillem Zusammenspiel mit uns, genau wie die Unfallstelle, aber diese pflegen sie allein.
Ich bin mir ziemlich sicher dass deine Freunde, wenn sie jemand am Grab sehen, warten. Sie würden niemals deiner Familie Raum nehmen oder ungefragt intervenieren.
Wir haben deine Entscheidung akzeptiert. Aber das heißt nicht, das wir sie gutheißen. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass das sich nicht schneidet.
Wir haben deine Entscheidung akzeptiert. Aber der Kampf, mit der Trauer um dich, begleitet mich immer noch - und ich denke nicht, dass er sich in diesem Leben jemals legt.
Heute ist wäre dein 30. Geburtstag. Es gibt Menschen, die vermissen dich jeden Tag.